Willkommen beim
Heimatverein Ilberstedt e.V 

erfahre mehr

[

Das Tanzwunder von Kölbigk

Die folgenden Ausführungen sollen ausgiebig Kunde geben von dem, was vor 1.000 Jahren im damaligen Colbizci (heute Cölbigk) geschah:

 

Die zugehörige Literaturliste finden Sie hier                       Roland Halang©2020-2021

 

 

Folie1.JPG
Folie2.JPG
Folie3.JPG
Folie4.JPG
Folie5.JPG
Folie6.JPG
Folie7.JPG
Folie8.JPG
Folie9.JPG
Folie10.JPG
Folie11.JPG
Folie12.JPG
Folie13.JPG
Folie14.JPG
Folie15.JPG
Folie16.JPG
Folie17.JPG
Folie18.JPG
Folie19.JPG
Folie20.JPG
Folie21.JPG
Folie22.JPG
Folie23.JPG
Folie24.JPG
Folie25.JPG
Folie26.JPG
Folie27.JPG
Folie28.JPG
Folie29.JPG
Folie30.JPG

Die drei ältesten Berichte

Nach unseren Ausführungen und Erläuterungen im vorstehenden Teil I. unseres Berichtes (Vortag I, Roland Halang) über das Kölbigker Tanzwunder werden wir jetzt mehr ins Detail gehend zunächst etwas mehr auf die drei wesentlichen handschriftlichen (Original)Berichte bzw. Texte über das Tanzwunder aus dem 11. Jahrhundert konzentrieren und danach im Einzelnen versuchen, diese zu kommentieren. Wir verwenden dafür Übersetzungsfassungen aus dem Mittelalterlatein ins Hochdeutsche des Altgermanisten Dr. Edward Schröder, seinerzeit Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Marburg aus dessen Werk „Die Tänzer von Kölbigk, ein Mirakel des 11. Jahrhunderts“ in: Zeitschrift für Kirchengeschichte XVII,  aus dem Jahre 1896, Seite 94  bis 194. Die Bezeichnung des sogenannten Othbert-Berichts trägt dabei in der übersetzten Form die Bezeichnung "Schröder: Fassung I", der Bericht des Theodericus im Uraltkloster Wilton in England die Bezeichnung "Schröder: Fassung II" und die III. Fassung, die sogenannte Pariser Handschrift, trägt die Bezeichnung "Schöder: Fassung III". 

Neben diesen drei Handschriften existieren noch vier weitere, ähnlich gelagerte Handschriften aus dem gleichen Zeitraum. Unbestritten ist, dass es zumindet eine noch frühere Urfassung (Archetyp oder Fassung "O") gegeben haben muss, deren Text aber leider verschollen ist. Von diesen ursprünglicheren Handschriften aus dem 11. Jahrhundert stammen alle folgenden Berichte über das Kölbigker Tanzwunder in sogenannten Predigtsammlungen (Predigtmärlein), Exempelwerken und geistlichen Erbauungen etc. ab. Darauf aber kommen wir aber später noch zu sprechen.

Es bietet sich an, zuerst mit dem sogenannten Othbert-Bericht (Schröder: Fassung I) zu beginnen. Sie können aber auch frei wählen, wie Sie starten möchten. Dieser Othbert-Bericht ist der mit Abstand weitverbreitetste unter den Quellen des Kölbigker Mirakels bzw. der Kölbigker Tänzersage. Er wurde im Jahre 1021 vom Erzbischof Pilgrim von Köln (1021 bis 1036) als Bettelbrief für Bußpilger ausgestellt. Er enthält den Augenzeugenbericht eines Beteiligten mit dem auch in der Fassung II auftauchenden Namen Othbert. Erzbischof Pilgrim war der Nachfolger des Erzbischofes von Köln, Heribert, der später heiliggesprochen wurde.

Zur Erinnerung vorneweg:

Der Sage nach soll ein Priester mit Namen Rupert oder Ruprecht eine Gruppe Jugendlicher im Jahr 1020 zu Weihnachten verhext haben. Sie hatten offenbar viel Lärm vor der Kirche gemacht, während drinnen der Gottesdienst gefeiert wurde. Ruprecht mahnte die Gruppe zur Ruhe. Als das nichts half, verwünschte er die Menge, worauf sie ein Jahr lang ununterbrochen tanzen musste. Erst der Bischof von Köln konnte den Fluch beenden.

  „Erzählung über das in dem Land Sachsen zur Zeit… weiter lesen »
Prolog: “Von einem von dem Schrecken und Joch des Tanzes… weiter lesen »

Die folgenden Ausführungen geben aus wissenschaftlicher und kulturhistorischer Sicht ausgiebig Kunde über das, was vor 1.000 Jahren im damaligen Colbizci (heute Cölbigk) geschah:

 

Tänzersage zwischen Mirakel und Exempel

In den Texten verschmelzen Mirakel und Exempel zur Sage zu einem populären Lesestoff des 19. Jahrhunderts. Stets soll bekundet werden, dass es das Ereignis wirklich gegeben hat. Noch immer sichtbare Steine, Ortsangaben oder andere Elemente bezeugen den Wahrheitsgehalt des Erzählten, ein wichtiges Element einer Sage. Die beglaubigte Wahrheit einer Sage besteht für den Erzählenden oder Schreibenden. Das wiederholte Erzählen festigt die Erinnerung.

Die Tänzersage ist ein Zeugnis für eine kulturhistorische Phase, in der der Gottesdienst als religiöse Praxis gefestigt wird. Die Sage vom Tanzwunder zu Kölbigk ist ein besonderes Zeugnis – ein Prototyp, das weltweit Bedeutung besitzt. Es geht um Tanzfrevel: eine Verbotslinie ist übertreten, als die Tänzer während des Gottesdienstes, zumal zum Christfest, nicht mit dem Tanzen aufhören. Bemerkenswert ist auch, dass es sich um eine Gruppe von Tänzern handelt, keineswegs um Einzeltäter. Spekulativ kann man fragen, ob diese Personen einer anderen Form von Religiosität anhingen, die von der institutionellen Macht unterbunden wurde. Gemeinsam werden sie mit dem Bann des Weitertanzens und des „Nicht-Vergehens“ belegt. Insofern soll diese Warn- und Schrecksage das Gebot der Feiertagsruhe bestätigen, ja für alle Zeiten in den Steinen sichtbar werden lassen, zu denen die Tänzer in einigen Varianten wurden.

Es ist ein Vorbild oder Muster, das zwischen Exempel und Mirakelgeschichte als Sage überliefert ist. Seine weite Verbreitung, u. a. als Predigtexempel, ja als Predigtmärlein, und später als Sage bei Grimm und populärer Erzählstoff bei Bechstein, legt davon Zeugnis ab, dass auch in Kölbigk das Tanzverbot eingehalten werden musste. Der Ortsname ist dabei wohl zweitrangig; zumindest muss es einen Anhaltpunkt gegeben haben, an den sich die Sage knüpfte. Es geht letztlich um ein Zeugnis christlicher Religiosität und Form der Ehrerbietung, auch in Kölbigk.

Als Prototyp sollte die Tänzersage vor Ort rezipiert werden und zur Identität des Ortes und der Region gehören. Damit kann sie auch als ein Zeugnis für die kulturhistorische Tiefe der Region gelten.

Der Tanz von Kölbigk als Problem der Forschung

Die Ungläubigen drehen sich im Kreis.

Das Tanzwunder von Kölbik im Kontext der Reformtheologie des 11. Jahrhunderts

Mit seiner langen und vielfältigen Rezeptionsgeschichte bis hin zu den Gebrüdern Grimm bildet der „Tanz von Kölbigk“ ohne Zweifel eines der wirksamsten Exempla der mittelalterlichen Literatur. Er hat zumal die Literaturgeschichte immer wieder beschäftigt. Die Diskussion hat sich dabei immer wieder an der Frage entzündet, inwiefern die überlieferten Berichte auf ein reales Geschehen zurückgehen oder aber nur Produkt literarischer Stilisierung sind.

Worum geht es? Eine Gruppe junger Leute führt an Weihnachten auf dem Vorplatz einer Pfarrkirche einen Reigen auf. Tanz und Gesang stören die Eucharistiefeier der Gemeinde. Der Priester tritt daher heraus und ermahnt die jungen Leute, ihr Treiben zu beenden. Da sie sich weigern, verurteilt er sie dazu, ein Jahr lang ohne Unterlass weiter zu tanzen. Bei dem Versuch, seine eigene Tochter aus dem Kreis der Tänzer zu retten, wird dieser ihr Arm ausgerissen. Dieser bleibt anschließend jedoch in einem untoten Zustand zurück. Über den Tanzenden wird ein Dach gebaut, das nach dem Willen Gottes immer wieder einstürzt. Sie verspüren jedoch keinerlei körperliche Bedürfnisse. Nach dem Ende des Reigens fallen die Tänzer in der Kirche in einen dreitägigen Schlaf. Einige sterben, andere gesunden, behalten jedoch ein lebenslanges Zittern zurück, das später den in die Welt zerstreuten Teilnehmern als körperlicher Beweis ihrer Geschichte und zugleich als Zeichen der Allmacht Gottes dienen wird

Angesiedelt ist das Tanzmirakel in Kölbigk (bzw. Cölbigk, Gemeinde Ilberstedt), heute ein Dorf etwas westlich von Bernburg an der Saale. Heinrich II. stiftete um 1015 an der vorherigen Pfarrkirche ein Priorat St. Magnus und überschrieb es dem Bamberger Bischof oder dem Kloster auf dem Michaelsberg bei Bamberg. Schon der Altgermanist Edward Schröder hat den Aufstieg Kölbigks unter Heinrich II. und Konrad II. auf eine durch das Tanzwunder ausgelöste Wallfahrtsbewegung zurückgeführt. Freilich fehlt in den Quellen zur Frühgeschichte des Ortes jeder Hinweis auf ein solches öffentlichkeitswirksames Mirakel und einen anschließenden Pilgerzustrom. Trotz größter Anstrengungen der Forschung haben sich in der Umgebung des angeblichen Schauplatzes überhaupt keine dem Zeithorizont nahen Schriftzeugnisse für das angebliche Ereignis nachweisen lassen.

Ernst Erich Metzner hat 1972 mit stupender Textkenntnis versucht, die gesammelten Zeugnisse für eine Rezeption der Legende in ganz Nordeuropa in eine neue zeitliche Reihenfolge zu bringen und so zu belegen, dass der Tanz tatsächlich im Jahr 1018 in Kölbigk.

Kölbigk. Das Tanzwunder. Das Lied. Der Tänzer. Der Priester Rupert.

Nahe bei Ilberstedt liegt der kleine Ort Kölbigk. So unscheinbar und unbedeutend er heute ist, so bekannt und von Tausenden aufgesucht war er im 11. und 12. Jahrhundert und dann auch noch das Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit. Die Menschen wussten mehr von ihm als von dem unweit davon gelegenen Kloster Nienburg, das weite Besitzungen ringsherum und besonders im Osten nahe Mulde und Elbe hatte und dort eine starke kolonisatorische Tätigkeit ausübte. Was hat Kölbigk so berühmt gemacht?

1) Das Tanzwunder. Am Weihnachtsheiligabend 1020, so erzählen die Quellen, tanzten dort auf dem Kirchhof an die 15 Bauern, dabei drei Mädchen. Führer der Schar war Gerlef, der mit seinen Gefährten die Tochter des Priesters, Ava, für einen von ihnen rauben wollte. Zwei Mädchen, Wibikin und Merswind, wurden in die Kirche geschickt, um Ava herauszulocken. Sie hatten Erfolg. Bovo ordnete nun den Reigen und Gerlef stimmte das unten verzeichnete Lied an. Die anderen Teilnehmer sangen den Kehrreim nach jeder Strophe. Singen und Tanzen störte den Gottesdienst in der
dem Hl. Magnus geweihten Kirche. Der Priester Rupertus trat heraus und mahnte die Tanzenden aufzuhören und Ruhe zu halten. Er versuchte seine Tochter Ava durch seinen Sohn aus dem Kreis der Tanzenden zu ziehen. Dieser fasste die Schwester am Arm, aber der Arm blieb in seinen Händen und wurde abgerissen, ohne dass Blut floss, und die Schwester tanzte weiter. Da sie nicht hören wollten und in ihrem Tanz fortfuhren, rief ihnen der Priester zu: „So wolle Gott und der hl. Magnus geben, dass ihr ein ganzes Jahr tanzen müsst.“ Und so geschah es. Die Tänzer fuhren in ihrem Tun fort, Regen und Schnee, Hitze und Kälte hinderte sie nicht. Sie tanzten sich bis an den Gürtel in die Erde. Nahrung bedurften sie nicht, ein milder Hauch stärkte sie von Zeit zu Zeit. Nach Jahr und Tag absolvierte der Bischof von Köln die Schar. Zwei starben sofort, die anderen schliefen drei Tage und drei Nächte. Darauf zogen die Überlebenden im Lande umher, an Kopf und Gliedern zitternd, als Folge der Tanzwut.

Die Kunde von diesem Geschehnis verbreitete sich schnell im ganzen Lande. Die Kirche nutzte es, ein Kloster des hl. Magnus wurde gegründet. Das kleine Dort wurde ein viel besuchter Wallfahrtsort. Kaiser Konrad II. richtete hier einen Markt ein und vermachte 1036 seiner Gemahlin Gisela die Erträge aus Zoll und anderem Marktrecht. Heinrich III. schenke sie später 1043 seiner Gemahlin, dazu das Gut zu Kölbigk. Wohl geriet das Kloster schon im 12. Jahrhundert in Verfall, und im Bauernkrieg 1525 wurde es schwer verwüstet und in Unordnung gebracht. Fürstliche Hilfe hatte erst Erfolg, als das Kloster den Charakter verlor und unter weltliche Verwaltung gestellt wurde. Aber die Sage vom Tanz hat sich das ganze Mittelalter bis in die Neuzeit erhalten. Zahlreiche Chronisten berichten von dem Wunder, für das der Boden vorbereitet war durch mannigfaches Unheil in den Jahren 1017, 1018, 1020 besonders in Ostsachsen, und das wohl durch eine epidemische Tanzwut zu erklären ist. Der Tanz fand statt auf dem Kirchhof vor der Kirche. Er erinnert an jene Tänze kultischer Art, die noch lange gerade am Weihnachtsheiligabend trotz des Widerstandes der Kirche sich im Brauch gehalten haben.

2) Das Mirakel von dem Tanz und den Tänzern, die ein Jahr lang ihren Tanz zur Strafe fortsetzen mussten, ist für die damalige Welt die Hauptsache gewesen. Für uns ist da aber noch etwas anderes, was auch die Gelehrten sehr beschäftigt hat. In der Darstellung des französischen Kirchenhistorikers Ordericus Vitalis um 1130 ist von einem Lied die Rede, das beim Tanz gesungen wurde. Es ist in lateinischer Sprache überliefert und lautet:

Equitabat Bovo per silvam frondosam.
Ducebat sibi Merswinden formosam.
Quid stamus? Cur non imus?
Es ritt Bovo durch einen Grünen Wald.
Er führte vor sich (im Sattel) heim die schöne Merswind.
Was stehen wir? Warum gehen wir nicht?

Die letzte Zeile ist der Kehrreim, den die Menge singt. Das Lied ist ein Bruchstück, das etwas Ähnlichkeit mit anderen Liedanfängen späterer Zeit hat, ...

Quellenangaben

  1. Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts, Band 69, Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V., herausgegeben von Christian Marlow und Annette Schneider-Reinhardt, Halle/Saale, 2020, ISBN 978-3-940744-97-5
  2. ebenda; Kathrin Pöge-Alder, „Die Tänzersage zwischen Mirakel und Exempel“, Seite 43, Zusammenfassung
  3. ebenda; Gregor Rohmann, „Die Ungläubigen drehen sich im Kreis. Das Tanzwunder von Kölbik im Kontext der Reformtheologie des 11. Jahrhunderts“, Seite 74 bis 75
  4. ebenda; Alfred Wirth, „Kölbigk. Das Tanzwunder. Das Lied. Der Tänzer. Der Priester Rupert.“, Seite 128 bis 129

Der Verein

Satzung des Heimatvereines Ilberstedt

vom 04. Oktober 2004 geändert am 23.02.2006.

§1 Name, Sitz, Gerichtsstand Eintragung und Geschäftsjahr 1) Der Verein führt den Namen „Heimatverein Ilberstedt 2) Er hat seinen Sitz in Ilberstedt, Landkreis Bernburg. 3) Der Gerichtsstand ist Bernburg. 4) Der Verein ist am 26.02.2003 in Ilberstedt gegründet worden. 5) Das Geschäfisjahr ist jeweils das Kalenderjahr. 6) Der Verein soll in das Vereinsregister eingetragen werden.

Kontaktieren Sie uns

Lage & Kontakt

Google Analytics

Zur Verbesserung unseres Angebotes und Erfassung Ihrer Interessen verwendet diese Seite Google Analytics. Wenn Sie dies nicht wünschen benutzen Sie bitte unten stehenden Link, um sich auszutragen.

Google Analytics akzeptieren Google Analytics deaktivieren