Bericht vom Kölbigker Tanzwunder aus der Handschrift Paris, BNM Ms. lat. 9560 - (Schröder: Fassung III)
Im Jahr der Fleischwerdung unseres Herrn Jesus Christus 1018, in der 15. Indiktion, an dem Ort namens Kölbigk, wo die Reliquien des Märtyrers Magnus in der Kirche aufbewahrt werden, traten genau in der Nacht der Geburt unseres Herrn und Heilands Jesus Christus im Hof derselben Kirche [Leute] auf, die Spielen und Frivolitäten hingegeben waren und Reigen und Tänze ins Werk setzten. Es waren 27, deren Namen diese sind: Ötelrihc, Hereman, Thiederihc, Meinnolf, Gerolf, Gerlahc, Martin, Lamber?th, Heinrich, Wezel, Fritherich, Arnolt, Johan, Siuuart, Hezzel, Amelrich, Alret, Buouo, Wunekin, Berenarth, Bio, Wilhelm, Gerath, Vocco, Adelolt, Walthelm, Mersuit, die die einzige Frau unter den anderen war, die alle dieselbige hochheilige Weihnacht nicht mit der geschuldeten Ehrerbietung würdigten. Als aber der Priester des Herrn sich zum Zelebrieren der Heiligen Messe angeschickt hatte und sie zur andächtigen Mitfeier einlud, missachteten sie seinen Vorschlag und wollten ihm nicht Folge leisten. Und da er zum zweiten und dritten Mal zu ihnen hinausging und [seine Aufforderung] wiederholte, antworteten sie, dass sie keinesfalls um der Messe willen aufhören wollten, bevor nicht ihr Lied beendet sei.
Von Zorn bewegt sagte da der Priester: „Weil ihr Gottes durch mich, seinen unwürdigen Diener, [ausgesprochene] Gebote nicht würdigt und nicht zulasst, den Gottesdienst vor den Augen des Volkes zu zelebrieren, bewirke Gott durch die Verdienste seines heiligen Märtyrers Magnus, dass ihr ein ganzes Jahr nicht weichen sollt von dem Platz, wo ihr Euch bewegt, und nichts anderes sprechen sollt, als ihr gerade im Munde habt.“ Die noch nicht den Geboten Gottes und seines Priesters gehorchen wollten, verdienten sich so die Vergeltung der Geißel Gottes. Und so vortrefflich der Märtyrer Gottes schon dem Namen nach herausragt, so großartig leuchteten die Zeichen seiner Bewunderung. Nach den vorstehenden Worten ging der Priester zu seiner Tochter, die auch mit den anderen den Reigen führte, und ergriff sie am Arm, um, wenn es ginge, sie mit sich zu ziehen und in die Kirche zurückzuführen. Welcher [Arm] sofort so leicht folgte, als ob er in keiner Weise dem Körper verbunden gewesen wäre, so aber, was wundersam zu erzählen ist, dass weder Blut herausfloss noch sie [die Tochter] irgendeine Verletzung spürte. Als dieses geschehen war, verwunderte er [der Priester] sich selbst, trug den ergriffenen Arm in die Kirche, um ihn nach vollzogenem Gottesdienst der Erde zu übergeben. Aber gewissermaßen von göttlicher Kraft [bewegt,] gelangte jener mit höchster Geschwindigkeit wie ein Vogel mitten in den Kreis des Reigens und begann sich dort wie ein Aal herumzuwälzen. Nach Vollzug der Messe ergriff man den Arm erneut und wollte ihn der Erde übergeben, aber jener kroch nichtsdestoweniger wie Würmer aus der Erde und kehrte erneut in die Mitte des Reigens zurück, und blieb dort, solange das Jahr andauerte. Gemäß göttlichem Willen erfüllten sich die von dem Priester gesprochenen Worte. Das ganze Jahr verbrachten sie in jenen Gesängen und Tänzen. Weder aßen sie noch tranken sie, noch fühlten sie Frost oder Hitze, ebenso hatten sie keine Risse in ihren Schuhen oder anderen Kleidern, bis zum Nabel gingen sie in die Erde hinein. Als aber ihre Eltern immer wieder ein Dach über ihnen zu bauen versuchten, konnten sie, was sie abends errichtet hatten, am Morgen nicht wieder finden. Jeden Tag zur neunten Stunde erfüllte ein gewisser höchst süßer Duft wie von einem zarten Windhauch ihre Nasen und Brüste, von dem erquickt und wie von allen süßesten Speisen erfüllt sie keinen Hunger spürten. In diesem aus Gottes Allmacht das ganze Jahr dauernden Werk und Wunder erreichten sie schließlich die gleiche heilige Nacht der Geburt des Herrn. In der gleichen Stunde und in jenem Moment, in dem sie gebunden worden waren, löste sie die göttliche Barmherzigkeit, und bald kamen sie in die Kirche, um für ihre Untaten um Gnade zu bitten. Dort lagen sie für zwei Nächte und einen Tag, sprachen kein Wort und bewegten sich nicht. Dort starben die Tochter des Priesters und ein weiterer von ihnen. Am dritten Tag kamen sie auch wieder zu sich, wurden aus der Kirche geworfen und, nachdem ihre Eltern sie nicht ohne gewisse Gewalt ergriffen hatten, gebadet und gekleidet. Als diese [die Eltern] ihre Kleider berührten, die unversehrt geblieben waren und auch weiterhin nicht gealtert wären, wenn es möglich gewesen wäre sie zu benutzen, fielen sie wie Spinnennetze zusammen und verschwanden wie Rauch. Von diesem Zeitpunkt an wurden sie über den ganzen Erdkreis zerstreut, damit Gott an Ihrem Beispiel allen zeige, welche Strafe jenen drohe, die sein Werk nicht ehren und seinen Priestern nicht gehorsam sind.“